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Radio-Kritik: Coverversionen von California Dreamin‘

Eben spielte Radioeins eine Coververion des Klassikers California Dreamin‘ – in einer Version von Bobby Womack.

Im Original ist der Song von The Mamas and the Papas. Soweit so gut. Dann sagt die Moderatorin, dass es sich dabei um einen häufig nachgespielten Song handele – es gebe 56 Coverversionen.

Als aktives Mitglied einer kleinen Band stieg bei mir gleich der Blutdruck, als diese Zahl einfach so als absolute Zahl präsentiert wurde. „Es gibt 56 Coverversionen“. Das ist falsch. Und für dieses Urteil muß ich nicht mal nachdenken. Richtig wäre gewesen: „Die deutsche Wikipedia-Seite zu California Dreamin‘ gibt an, dass es 56 Coverversionen des Songs gibt“ oder „mindestens 56 Versionen“ oder so ähnlich. Also entweder Quelle angeben – oder wenigstens die Zahl nicht als absolute Wahrheit präsentieren.

Jeder, der mal in einer Band gespielt hat, oder auch nur entfernt mit Musikern zu tun hatte sollte doch wissen, dass es im Prinzip zu jedem halbwegs bekannten Song zahllose Coverversionen gibt. Natürlich wurden nicht alle Coverversionen im Studio aufgenommen – und nicht alle im Studio aufgenommen Versionen wurden veröffentlicht. Und nicht alle veröffentlichten Versionen wurden bekannt. Und nicht alle bekannten Versionen sind in der deutschen Wikipedia zu finden. Im Verzeichnis www.whosampled.com sind zum Beispiel zurzeit 74 Versionen zu finden. Es dürfte aber noch sehr viel mehr geben.

Ich würde mir ein wenig mehr Sorgfalt wünschen – auch bei so kleinen Details. Sorgfalt würde in diesem Falle Vorsicht bedeuten. Kein Mensch kann sagen, wieviele Coverversionen es von diesem oder jenem Song gibt. Wer behauptet, die absolute Zahl zu kennen, erscheint mir leider wenig glaubwürdig.

Liebe AKK

ich kenne mich leider nicht so gut aus, was den Karneval und all seine mir merkwürdig erscheinenden Rituale und Regeln angeht. Meine Oma, die im hohen Alter ein zarter Flaum von Oberlippenbärtchen schmückte, war zwar Kölnerin – daher hatte ich gegenüber anderen Nachbarskindern immer schon so etwas wie einen kleinen Wissensvorteil. Aber so richtig habe ich das offenbar nicht verstanden.

Ich dachte immer, beim Karneval ginge es darum, dass sich Außenseiter über die Herrschenden lustig machen dürften – und nicht umgekehrt?! Naja, inzwischen ist offenbar vieles möglich. Bei der Bestimmung von Geschlechterrollen sind wir ja inzwischen zum Glück auch schon ein Schrittchen weiter – zumindest in Berlin – so verstehe ich jedenfalls Teile Ihrer Darbietung.

Aber zurück zum Karneval. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob man am Aschermittwoch eigentlich traditionell noch „schlechte WItze“ machen darf. Also zum Beispiel Rassistische WItze? Homophobe Witze? Altersdiskiminierende Witze? Ich vermute schon. Zumindest darf man doch unter dem Karnevals-Deckmantel ein bisschen unter die Gürtellinie treten, oder? Na – ich versuche es einfach mal. Ich bin aber nicht sicher, ob mir das gelingt – ich bin ja genetisch betrachtet nur 1/4 Rheinländer.

Zuerst mal ein offenes Wort in aller Freundlichkeit: Liebe Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, Ihre Hetero-normative Hasspropaganda – öhm – Ihre Büttenrede – ist in Berlin überhaupt nicht gut angekommen. Aber vielleicht lässt sich Ihr Ausrutscher auch irgendwie erklären… Vielleicht haben Sie selber ja nicht verstanden, wie Karnevals-Humor funktioniert? Immerhin stammen SIe ja ’nur‘ aus dem Saarland – da macht man sich ja vielleicht das ganze Jahr lang über über die Herrschenden lustig – nur zum Karneval wird mal auf die Außenseiter, die Schwachen, die Hilfbedürftigen getreten. Oder wars eventuell der Alkohol? Oder Sie werden einfach alt – und so langsam setzen sich zunehmend die männlichen Hormone durch? Letzerer Erklärungsansatz erscheint mir am wahrscheinlichsten – denn solche Macho-Sprüche würde ich einer Frau eigentlich gar nicht zutrauen. Ja, vermutlich waren es die Hormone.

Auch bei mir spielen die Hormone manchmal verrückt. Dann setze ich mich zum Pinkeln hin,  genieße erstmal einen Latte-Macchiato und weiß plözlich gar nicht mehr, ob ich Männchen oder Weibchen bin. Und eigentlich ist es mir auch scheißegal. Ich wünschte, es würde keinen Unterschied machen, mit welchen primären Geschlechtsmerkmalen man nun diesen Planeten betreten hat. Es sollte in der Ausbildung, bei der Berufswahl, beim Lohn, bei der Rente und sowieso einfach mal grundsätzlich keinen Unterschied machen. Und ich hatte ja eigentlich gedacht, wir wären da auch schon einen Schritt vorangekommen.

Aber vielleicht sind wir ja auch schon weiter, als mich das Ihre ‚Entgleisung‘ vermuten läßt. Vielleicht dürfen ja Frauen jetzt auch Macho spielen – zumindest zur Karnevalszeit?

Eigentlich ist es mir ja auch egal. Ich würde Ihnen aber dringend empfehlen, mal nach Berlin zu kommen und einen Latte-Macchiato zu schlürfen. Und wenn Sie möchten, dürfen Sie in Berlin auch im Stehen pinkeln.