Ich weiss ja, worauf sich @Niggi in seinem Tweet vom 10.Juli eigentlich bezieht: das Cover der Spiegel-Ausgabe ist nicht gerade etwas, womit man in der Öffentlichkeit gesehen werden möchte. Die digitale Ausgabe des Spiegel ist daher ganz ‚praktisch‘ weil ‚anonym‘:
Das Beste am digitalen @DerSpiegel ist, dass man nicht dabei gesehen wird, wie man ihn kauft. — Stefan Niggemeier (@niggi) 10. Juli 2015 (Original-Tweet mit Spirgel-Cover hier)
Kann man ja eigentlich erst mal so stehen lassen. Ich nehme das jetzt aber einfach mal als Aufhänger, um ein paar Gedanken zu einem Thema aufzuschreiben, das mich schon eine ganze Weile hin und wieder beschäftigt – und zwar:
Das Private und das Öffentliche
Typische Situation: Menschen warten und verbringen ihre Zeit damit, auf Displays zu starren. Was sie dort sehen ist den unmittelbaren mitreisenden, mitwartenden Mitmenschen zunächst verborgen. SPIEGEL Online? BILD? New York Times? Nachrichten? Sport? Feuilleton? Oder doch Email? Twitter? Facebook? Oder liest der Sitznachbar gerade ein Buch? Niemand weiss es – man liest anonym.
Das ist aber leider nur die halbe Wahrheit. Diensteanbieter, Google, Amazon, Verlage – alle lesen mit. Das kann vom einzelnen vielleicht sogar anonymisierten Klick bis hin zur Analyse der digitalen Lesegewohnheiten gehen. Wird ein Text komplett gelesen – oder steigt der Leser irgendwann aus? An welcher Stelle steigt der Leser aus? Kann man da was optimieren?
Digitale Lesegeräte – egal ob eReader oder iPad – mögen praktisch sein, wenn es darum geht, eine ganze Reihe von Büchern, Zeitschriften, Magazinen mit zu nehmen. Die Mitreisenden wissen weder was ich lese, noch was ich noch so dabei habe. Und auch amm Strand, am Pool, im Zug, in der Hotel-Lobby – alle Leserinnen und Leser sehen irgendwie ‚gleich‘ aus. Und das ist ja vielleicht auch ganz schön: eigentlich geht es niemanden etwas an, was ich gerade lese.
Während man im öffentlichen Raum als Digital-Leser eine neue Privatheit findet, gibt man gleichzeitig einen Teil seiner Privatsphäre auf bzw. an Konzerne, Verlage und vermutlich auch an Behörden ab. Und kurrioser weise ist genau das der Preis für die neu erlangte Provatheit im öffentlichen Raum.